Dienstag, 4. April 2017

[ #tierwelt ] Erster Höhlenfisch Europas im Achtopf: Die Höhlenschmerle

Die Donau ein unterirdischer Nebenfluss des Rheins. Forscher haben am Bodensee den ersten europäischen Höhlenfisch entdeckt. Die Höhlenschmerle fasziniert vor allem wegen ihrer schnellen evolutionsbiologischen Anpassung.

Tiere, die unter der Erde zuhause sind, entziehen sich oft dem menschlichen Auge. Dabei gibt es gerade in Höhlen, in Böden und im Grundwasser eine reiche Fauna, die kaum jemand kennt. Fische zählten in Europa bislang nicht dazu: Obwohl Höhlenfische von anderen Kontinenten bekannt sind, fehlten diese hierzulande. Nun hat ein Team aus Höhlentauchern und Forschern der Universitäten Konstanz und Oldenburg sowie des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie Plön und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) den ersten Höhlenfisch Europas entdeckt.

Besonderheit. Die etwa acht Zentimeter große Höhlenschmerle ist nicht nur die erste entdeckte Höhlenfischart Europas, sie ist zugleich auch der am nördlichsten lebende Höhlenfisch der Welt. Während die meisten anderen europäischen Höhlentiere in der Balkanregion beheimatet sind, lebt diese Art in Deutschland. "Wir nehmen an, dass in dem 250 Quadratkilometer großen Versickerungsbereich der Donau, das in der Aachquelle nördlich des Bodensees mündet, eine große Population Höhlenfische lebt", sagt Jasminca Behrmann-Godel von der Universität Konstanz, Erstautorin der kürzlich in "Current Biology" veröffentlichten Studie.


Live-Evolution. Taucher fanden den ersten Fisch bei einer Expedition im August 2015. Die Fundstelle liegt etwa 600 Meter von der Aachquelle entfernt. Höhlenfische in einem solch nördlichen Bereich zu entdecken, ist für die Wissenschaftler besonders überraschend. Wurde doch lange angenommen, Höhlenfische könnten nur dort vorkommen, wo die Gletscher der Eiszeit nicht alles Leben unter sich begraben hatten.

Die neuen Ergebnisse lassen vermuten, dass sich die Schmerle tatsächlich erst nach der Eiszeit ins Dunkel gewagt hat und dort zum Höhlenbewohner (Troglodyten) wurde. "Erst mit dem Rückzug des Gletschers ist das System für die Fische besiedelbar geworden. Irgendwann nach dem Ende der Würmeiszeit vor maximal 20.000 Jahren müssen sie dort eingewandert sein, und zwar aus der Donau, das können wir aus unseren genetischen Analysen klar erkennen", erklärt Arne Nolte von der Universität Oldenburg und vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie Plön. Der Vorteil der Höhlenbewohner: Unter der Erde gibt es für die Schmerlen keine Fressfeinde, sodass ihr unterirdisches Leben recht sicher ist. Auch kleine Höhlenkrebse, Höhlenasseln und Höhlenschnecken wurden in den Unterwassergängen gefunden. Sie dienen den Fischen wahrscheinlich als Nahrungsgrundlage, vermuten die Forscher.

"In dieser - evolutionär gesehen - geringen Zeit haben sich die Tiere schon zu echten Höhlenfischen entwickelt. Die Augen sind stark reduziert, fast als wären sie nach innen gestülpt. Auch die Färbung ist fast verschwunden", beschreibt Jörg Freyhof, Mitautor und Taxonomie-Experte vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Die Fische hätten verlängerte Tastfortsätze am Kopf, sogenannte Barteln, und die Nasenöffnungen seien größer als bei ihren oberirdischen Verwandten. Gerade die junge Entstehungsgeschichte der Fische ist interessant für die Wissenschaft. "Wir sind hier auf einen echten Schatz gestoßen, der uns hilft, schnelle evolutionsbiologische Anpassungen besser zu verstehen", sagt Freyhof.

Rheinzufluss Donau. Röhren-Labyrinth zwischen Donau und Aachquelle. Das Unterwassersystem zwischen dem Versickerungsbereich der Donau und der Aachquelle (auch Aachtopf) gleicht einem überschwemmten labyrinthischen Röhrensystem. Das Wasser der Aachquelle stammt größtenteils aus der Donau, welches zwischen Immendingen und Fridingen versickert und durch das poröse Karstgestein einen unterirdischen Abfluss geschaffen hat. Interessant ist übrigens die Vorstellung, dass bei den Versinkungsstellen sich entscheidet, ob das Wasser mit dem Donaufluss Richtung Schwarzes Meer oder zur Nordsee fließt. Von der Donauversinkung fließt das Wasser unterirdisch etwa 11,7 km bei einer Geschwindigkeit von ca. 195 m/h durch Hohlräume bis zum Aachtopf. An den etwa 130 Vollversickerungstagen gehört damit die obere Donau ganz zum Flusssystem des Rheins. Damit könnte sich in der Zukunft mit weiterer Auflösung des Kalkgesteins bis zum Einsturz der Höhlen ein Vorgang  abspielen, an dessen Ende der Oberlauf der Donau ganz zu einem Nebenfluss des Rheins geworden sein wird.

"Wir wissen nicht genau, wie das System aussieht, aber es muss dort weitere unterirdische Flüsse und Seen geben", vermutet der Hobby-Geologe Roland Berka, der die geologischen Formationen der Region seit vielen Jahrzehnten untersucht. Bis auf den Siphonschacht ist das System von der Aachquelle bis zum Endversturz maximal 22 Meter tief und 600 Meter lang. Mit allen Seitengängen wird es auf einen Kilometer geschätzt.

[ #natur #freunde #umwelt ]

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